Hund und Mensch helfen sich gegenseitig bei der Erforschung der molekularen Basis
ihrer gemeinsamen genetischen Krankheiten
Die Untersuchung von genetischen Krankheiten bei verschiedenen Hunderassen ist sowohl
für die Veterinär- als auch für die Humanmedizin von großem Interesse. Darum führt
das Forschungsteam "Génétique du Chien" (Hundegenetik) unter der Leitung von Dr.
Catherine André am Institut de Génétique et Développement de Rennes seit über eine
Jahrzehnte zahlreiche Forschungsprojekte durch, die auf die Ermittlung der molekularen
Basis der genetischen Krankheiten beim Hund abzielen. Diese Forschungen beziehen
sich auf Krankheiten, deren klinische Anzeichen, genetische Ursachen und therapeutische
Wirkungen Mensch und Hund gemeinsam sind. Sie bringen doppelten Nutzen für Hund
und Mensch mit der Verbesserung der Diagnose und der Erkennung durch die Einrichtung
von Genetiktests, sowie einem besseren therapeutischen Betreuungsangebot.
So wurden beim Hund über 500 genetische Krankheiten ermittelt, die oft rassenspezifisch
sind, und deren Häufigkeit bis zu 20 % innerhalb der jeweiligen Rasse betragen kann,
was ernste Probleme für die Gesundheit und die Langlebigkeit bestimmter Rassen darstellt.
Die Forscher des Labors von Rennes haben somit Genproben von befallenen Hunden (Fälle)
und von gesunden Hunden derselben Rassen (Kontrollen) sowie deren Familie gesammelt,
um die genetischen Ursachen von verschiedenen Krankheiten bei verschiedenen Rassen
zu erforschen. Seit 2000 hat nämlich das nationale Wissenschaftszentrum CNRS (Centre
national de Recherche Scientifique) in Rennes eine Bio-Datenbank mit Genproben von
Hunden namens Cani-DNA entwickelt, infolge der Einrichtung eines Netzes von Tierärzten
und Züchtern, mit Hilfe der französischen Verbandes der Gesellschaftstierärzte AFVAC
(Association Française des Vétérinaires pour Animaux de Compagnie) und der französischen
Société Centrale Canine (SCC). Dieses Netz umfasst im Wesentlichen praktische Tierärzte,
die vier französischen Hochschulen für Veterinärmedizin, die Firma Antagène sowie
veterinärmedizinische Analyse- und Histopathologielabors.
Die beim CNRS von Rennes durchgeführten Genanalysen beginnen mit der Entnahme von
Blutproben von erkrankten Hunden und deren Verwandtschaft, dann wird die DNA jedes
Hundes extrahiert, und bei jeder Hunde-DNA werden Hunderttausende von genetischen
Markern analysiert. Diese Analysen ergeben eine sehr präzise Genkarte jedes Hundes.
Im Rahmen von genetischen und statistischen Analysen werden anschließend die Genkarten
der Gruppe der gesunden Hunde mit denjenigen der Gruppe der erkrankten Hunde verglichen,
um die betroffene Genomregion zu ermitteln, die für die Krankheit verantwortlich
sein kann.
Nachfolgend einige Beispiele für derzeit im Labor von Rennes laufende Analysen:
- Das histiozytäre Sarkom, ein sehr aggressiver und sich schnell auf mehrere Organe
ausbreitender Tumor tritt insbesondere beim Berner Sennenhund, beim Flat Coated
Retriever und beim Rottweiler häufig auf, während er bei anderen Rassen nur selten
vorkommt. Diese Krebsart gibt es auch beim Menschen in einer sehr schweren Form,
jedoch tritt sie nur äußerst selten auf, weshalb keine Genetikforschung betrieben
wird. Es gibt bis heute keine wirksame Behandlung, und die bei Hunden vorgenommenen
Forschungen werden natürlich zugleich der Hunde- und der Humanmedizin zugutekommen.
- Das Syndrom der akralen Automutilation tritt bei manchen Jagdhunderassen auf, beispielsweise
dem Epagneul Français. Diese sensorische Neuropathie, die vermutlich auf mangelnde
Innervation der Gliedmaßen zurückzuführen ist, hat die Mutilation der Gliedmaßen
zur Folge, die sehr schwerwiegend sein kann und in den schlimmsten Fällen die Euthanasie
des Hundes erfordert. Beim Menschen treten verschiedene Formen von sensorischen
Neuropathien auf, die sogenannten HSAN (Human sensinery autonomous neuropathy);
es wurden bereits Gene dafür identifiziert, die jedoch nicht alle Formen erklären;
durch die Entdeckung neuer Gene beim Hund könnte somit die Zahl der beim Menschen
bekanntermaßen beteiligten Gene bereichert werden.
- Netzhauterkrankungen führen zu progressiven Sehstörungen, die im Allgemeinen mit
vollständiger Erblindung enden. Über 100 Rassen werden von progressiver Netzhautatrophie
betroffen, darunter auch der Border Collie. Auch in diesem Bereich laufende Forschungsarbeiten
über die genetische Ursache beim Border Collie; die bisher durchgeführten Untersuchungen
ergeben eine mit dem X-Chromosom zusammenhängende Vererbung. Auch beim Menschen
treten zahlreiche Formen dieser Erkrankung auf, die als Retinopathia pigmentosa
bezeichnet wird, darunter auch mit dem X-Chromosom zusammenhängende Formen, deren
genetische Ursachen noch nicht bekannt sind. Bei den rund zwölf bis heute bekannten
Genen der beiden Spezies stimmen die meisten überein.
- Die coxo-femorale Dysplasie stellt bei Hunden großer Rasse ein erhebliches Problem
dar. Eine multigenetische Teilkomponente wird dafür verantwortlich gemacht.
Schließlich konnte durch diese Art von Untersuchung erst kürzlich das defekte Gen
ermittelt werden, das für die Ichtyose beim Golden Retriever verantwortlich ist.
Es hat sich herausgestellt, dass dieses Gen auch für eine menschliche kongenitale
Ichtyose verantwortlich ist, und die Entdeckung einer neuen Funktion in der Hautbarriere
ermöglicht hat. Es konnte ein Genetiktest für die Diagnose und Erkennung beim Hund
entwickelt werden, was zu einem besseren Zuchtmanagement und dem allmählichen Rückgang
dieser Krankheit bei dieser Rasse führt.
Kurz gesagt, jeder Hundeliebhaber, ob Tierarzt, Züchter oder einfacher Hundebesitzer,
kann zu diesen Genetikstudien beitragen, sei es zur Ergänzung der Bio-Datenbank
Cani-DNA (gesunde oder kranke Hunde aller Rassen und jeden Alters), sei es für spezifische
Forschungsprojekte. Dazu wird eine einfache Blutprobe (3 ml im EDTA-Röhrchen) entnommen,
die in Begleitung einer Kopie der Ahnentafel des Hundes sowie eines ausgefüllten
klinischen Fragebogens des CNRS eingeschickt wird.
Catherine André und Anne-Sophie Guillory
Weitere Informationen:
http://dogs.genouest.org
Kontaktperson : Catherine André
Tel. : 02 23 23 45 09
E-mail :